Der Wirkstoff Glyphosat befindet sich auf europäischer Ebene im Wirkstofferneuerungsverfahren. Es wird von den staatlichen Stellen überprüft, ob der Wirkstoff die Genehmigungskriterien noch erfüllt. Pflanzenschutzmittel dürfen insoweit zum Beispiel keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder von Tieren noch auf das Grundwasser haben. Auch dürfen sie keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben.
Derzeit überprüft die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) den Erneuerungsantrag nebst Bewertungsbericht (engl. renewal assessment report, kurz: RAR) der sogenannten Bewertungsgruppe für Glyphosat. Die Mitgliedstaaten Frankreich, Ungarn, die Niederlande und Schweden wurden gemeinsam als berichterstattende Mitgliedstaaten für das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung für Glyphosat benannt. Die Schlussfolgerung zum Peer-Review der Risikobewertung für Glyphosat seitens der EFSA wird im Juli 2023 erwartet. Auf dessen Grundlage will die Europäische Kommission dann Ende des Jahres über den Antrag auf Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat entscheiden.
Ungeachtet der Entwicklung betreffend das Wirkstofferneuerungsverfahrens auf europäischer Ebene gilt nach der derzeit gültigen Rechtslage in Deutschland ab dem 01.01.2024 ein generelles Anwendungsverbot für Glyphosat-haltige Pflanzenschutzmittel. Glyphosat-haltige Pflanzenschutzmittel dürfen demnach gem. § 1, § 5 Abs. 1 und § 9 Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PflSchAnwV) ab dem 01.01.2024 in Deutschland nicht mehr angewendet werden. Dieses Anwendungsverbot gilt unabhängig davon, ob die Zulassungen von Glyphosat-haltigen Pflanzenschutzmitteln über den 15.12.2023 vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hinaus verlängert werden oder nicht. Auch steht das Anwendungsverbot etwaigen Abverkaufsfristen und Aufbrauchfristen entgegen.
Das Anwendungsverbot für Glyphosat-haltige Pflanzenschutzmittel ab dem 01.01.2024 wurde im Jahr 2021 durch die Fünfte Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung eingeführt. Die Änderungsverordnung ist bereits am 08.09.2021 in Kraft getreten. Das heißt, dass das Anwendungsverbot ab dem 01.01.2024 automatisch gilt. Es bedarf keines weiteren gesetzgeberischen oder exekutiven Aktes mehr.
Die Fünfte Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung ist bisher nur aufgrund der Einschränkungen bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat (z. B. Einführung des Verbots der Anwendung von Glyphosat in Wasserschutzgebieten, Heilquellenschutzgebieten und Verbot der Spätanwendung vor der Ernte) auffällig geworden. Dass diese auch ein generelles Anwendungsverbot für Glyphosat-haltige Pflanzenschutzmittel ab dem 01.01.2024 statuiert, ist der breiten landwirtschaftlichen Öffentlichkeit bisher entgangen.
Um das Inkrafttreten des Anwendungsverbots für Glyphosat-haltige Pflanzenschutzmittel ab dem 01.01.2024 zu vermeiden, müsste die Bundesregierung eine Aufhebung des Anwendungsverbots durch zeitnahe Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung bewirken. Das bedeutet, dass es einer aktiven Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung durch die Bundesregierung bedarf. Bisher ist öffentlichen Mitteilungen nicht zu entnehmen, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) oder das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) erste Maßnahmen zur Aufhebung ergriffen hätten.
Rechtsanwalt Peter Koof ist der Auffassung, dass allein aufgrund der letztjährigen Verlängerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat bis zum 15.12.2023 die Bundesregierung verpflichtet ist, das Anwendungsverbot für Glyphosat-haltige Pflanzenschutzmittel ab dem 01.01.2024 zeitnah aufheben. Gemäß der ständigen Verwaltungspraxis des BVL werden Produktzulassungen von Pflanzenschutzmitteln mit einer Gültigkeit Wirkstoffgenehmigungsende (hier: 15.12.2023) plus 1 Jahr erteilt, also derzeit bis zum 15.12.2024. In Deutschland sind bereits Glyphosat-haltige Pflanzenschutzmittel mit dem Gültigkeitsende 31.12.2026 zugelassen. Das Anwendungsverbot für Glyphosat-haltige Pflanzenschutzmittel ab dem 01.01.2024 ist erst recht aufzuheben, wenn die Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat von der Europäischen Kommission über den 15.12.2023 hinaus verlängert wird. Rechtsanwalt Peter Koof ist der Auffassung, dass solange der Wirkstoff Glyphosat in der EU genehmigt ist, es der Bundesregierung nicht möglich ist, seinen Einsatz durch ein Anwendungsverbot komplett zu verhindern.
Dies wird durch ein Urteil des luxemburgischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30.03.2023 (Nr. 47873 C) bestätigt. Als erstes EU-Mitglied hatte Luxemburg im Januar 2021 ein nationales Glyphosat-Verbot beschlossen. Der luxemburgische Verwaltungsgerichtshof hob das nationale Glyphosat-Verbot nunmehr auf. Nach Auffassung des Gerichts gibt es keine besonderen ökologischen oder landwirtschaftlichen Merkmale in Luxemburg, die ein nationales Verbot rechtfertigen. Es sei kein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt zu erkennen. Solange der Wirkstoff EU-weit zugelassen sei, gebe es keinen sachlichen Grund für eine nationale Sonderregelung.